No more Bullshit – Das Handbuch gegen sexistische Stammtischweisheiten

(ke) Halbwahrheiten, Floskeln und Provokationen zirkulieren auf Familienfeiern, an Stammtischen, in Talkshows und Parlamenten, in der Schule, am Arbeitsplatz und in den sozialen Medien. Damit keine* ihnen gegenüber allein und sprachlos bleibt, hat das österreichische Frauen*netzwerk Sorority, das sich als feministische Seilschaft in ironischer Anlehnung an Burschenschaften und andere Männerbünde sieht, ein handliches Brevier herausgegeben. Darin versammelt sind 18 zum Teil analytische, zum Teil ironische Beiträge zum anti-sexistischen Kontern.

Die ersten vier Texte helfen die Situationen, in denen sexistisch argumentiert wird, einzuordnen und abzuwägen, ob ein Dagegenhalten lohnt. Sie zeigen, welche rhetorischen Strategien polemisierende Gegner*innen nutzen, um eine wirkliche Auseinandersetzung auf Augenhöhe zu verhindern, aber auch, wie diese unterlaufen werden können. Und sie geben – besonders gelungen im Beitrag von Karin Wetschanow – einen kurzen Einblick in die Macht von Sprache.

In den folgenden 14 Kapiteln werden einzelne Parolen abgehandelt. So: „Wir haben keine Frau*- für das Podium gefunden!“ (ein gefundenes Fressen für unsere „Expertisa“-Macherinnen*, sie raten zu unserer Experinnendatenbank www.expertisa.lu), „Also ich fühle mich nicht unterdrückt!“ (siehe nebenstehend kurze graphische Kritik an arroganten Privilegierten*) oder „Der Pay Gap ist ein Mythos“ (oder wie das Luxemburger Tageblatt kürzlich missverständlich titelte: „Die Gleichheit der Gehälter ist erreicht“)

Nicht alle Artikel sind gleich erhellend: Anna Maria Möller Leimkühler greift in „Das starke Geschlecht“ leider überwiegend auf binär angelegte biologische Erklärungsversuche zurück, um zu zeigen, dass Männer* eigentlich das schwächere Geschlecht seien (Chromosomen, Hormone, etc.). Da lässt sich nur erleichtert aufatmen, wenn sie in Bezug auf die unterschiedliche Nutzung der Hirnhälften immerhin feststellt: „… hier gehen Sozialisation und Biologie Hand in Hand“. (S. 91) Ja, ja, die Henne und das Ei, – hätte sie das nur öfter getan.

Zum Glück stellt Bloggerin Stefanie Sargnagel, als „Dr. Sargnagel“, einige Seiten später eine witzige Diagnose in Bezug auf tabuisierte Männerkrankheiten…

Und ganz hormonfrei zeigt „Sei nicht so sensibel!“ von Christoph May mittels Beispielen aus Alltags- und Medienkulturen wie Männern* in ihrer Sozialisation emotionale Abwehr und die Ausbildung von Körperpanzern beigebracht wird. Abschließend fordert er emotionale Präsenzpflicht für alle, rät mehr Bücher und Filme von Frauen* zu sehen (das freut auch die Bibliothekarin des CID) und schlägt ein paar Mutproben für „harte Jungs*“ vor.

Das Buch endet schön – in Absage an „Bitch-Fight“ oder „Zickenkrieg“ – mit einem Plädoyer für feministische Solidarität. Guter Stoff (leider ohne Literaturverzeichnis), graphisch abwechslungsreich in Szene gesetzt, eine gute Wahl sowohl in Vorbereitung auf Debatten als auch als kleine feministische Einführung.

(Kremayr-Scheriau 2018, 175 S.)

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