Beitrag zu Gewalt, Krieg und Geschlechterverhältnissen

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Im März fand in Luxemburg die internationale Konferenz « stand speak rise up » statt, welche von der Großherzogin Maria Theresa initiiert wurde. Ziel der Konferenz war Vergewaltigungs als Kriegswaffe zu thematisieren und einen Beitrag zu ihrer Abschaffung zu leisten. Sie versammelte nicht nur renommierte internationale Expert*innen, Politiker*innen und Wissenschaftler*innen, sondern auch betroffene Frauen, die sogenannten « survivors ».
Im Anschluss an die Konferenz kamen mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen zusammen, um über eine mögliche Weiterarbeit nach der Konferenz nachzudenken. So entstand die Arbeitsgruppe « Fridden an Gender ». Unser Ziel ist die Weiterführung der Überlegungen zu sexualisierter Gewalt in bewaffneten Konflikten, mit Fokus auf deren strukturellen Ursachen. Durch die Anwendung einer feministischen und menschenrechtsbasierten Perspektive wollen wir einen Beitrag leisten zur gesellschaftlichen Diskussion über Krieg und Frieden im Zusammenhang mit Geschlechterverhältnissen und Handlungsmöglichkeiten in und durch Luxemburg erkunden und aufzeigen.

Durch diese Pressemitteilung wollen wir einen ersten Beitrag leisten zur öffentlichen Diskussion und erklären warum Krieg und Vergewaltigung als Kriegswaffe nicht unabhängig voneinander thematisiert werden dürfen.

Gewalt, Krieg und Geschlechterverhältnisse

Zur Abschaffung von Vergewaltigung als Kriegswaffe müssen bewaffnete Konflikte beendet und Geschlechtergleichstellung erreicht werden

(30.7.19) Die Verleihung des Friedensnobelpreises 2018 an Nadia Murad und Denis Mukwege rückte sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe international in den Fokus. In Luxemburg verhalf die im März 2019 stattgefundene Konferenz « stand speak rise up » dem Thema zum Einzug in die Presse und in die öffentliche Wahrnehmung. Im Zentrum standen dabei die Betroffenen selbst, als Individuen, und die Folgen dieser zutiefst sexistischen und zerstörerischen Gewaltform. 

Wir wollen diese Perspektive ergänzen und den Blick auf die strukturellen Ursachen von sexualisierter Gewalt in bewaffneten Konflikten richten, um zu zeigen, dass Krieg, Geschlechterungleichheit und Vergewaltigung als Kriegswaffe die gleichen strukturellen Ursachen haben. Strukturelle Ursachen, die auch in der luxemburgischen Gesellschaft präsent sind.

Sexualisierte Gewalt ist Teil aller bewaffneten Konflikte auf allen Kontinenten und findet regelmäßig massenhaft und strategisch Anwendung. Dazu zählen sexuelle Ausbeutung und Folter wie Zwangsprostitution, Zwangsehen und Kriegsvergewaltigung. Auch unmittelbar nach den Kriegen sind Vergewaltigungen der Besiegten durch die Sieger an der Tagesordnung. Seit den Strafgerichtshöfen für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien wird Vergewaltigung explizit als Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert.[1]

Auch in Zeiten, in denen kein bewaffneter Konflikt innerhalb eines Landes stattfindet, sind Frauen flächendeckend und in großem Ausmaß von Gewalterfahrungen betroffen, welche sie vor allem im Privatbereich der Familie erleben. Häusliche Gewalt ist keine Ausnahmeerscheinung, sondern ist in allen Schichten und Segmenten aller Gesellschaften präsent und reicht von psychologischen Misshandlungen bis hin zu schwerer Körperverletzung und Mord[2]. Eine in Luxemburg lebende, von häuslicher Gewalt betroffene Frau sagte im Gespräch mit einer Journalistin, sie fühle sich wie im Krieg, in ständigem Ausnahmezustand, geprägt durch Bedrohung und Lebensgefahr[3]. Damit drückt sie intuitiv das aus, was auch aus feministischer Konfliktforschung hervorgeht.

Aus feministischer Perspektive besteht eine Verbindung zwischen den sexistischen Strukturen des Friedens-Alltags und der erschreckenden Brutalität sexualisierter Gewalt im Krieg[4]. Die (sexualisierte) Gewalt, welche Frauen in bewaffneten Konflikten erleiden, ist der extreme Ausdruck der Diskriminierungen, welche sie in Friedenszeiten erleben und die Folge der ungleichen Machtverhältnisse und Dominanzstrukturen zwischen den Geschlechtern[5]. Männer werden im Krieg nicht zu skrupellosen Vergewaltigern, weil die gängigen Regeln der Zivilisation ausgehebelt sind. Vielmehr werden alltägliche sexistische Strukturen im Krieg verstärkt und durch die patriarchale Kriegslogik legitimiert[6].

Demzufolge gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Vergewaltigung als Kriegswaffe und Geschlechterungleichheit.

Krieg ist dabei keine reine Männerdomäne, sondern eine von allen Geschlechtern geschaffene und getragene soziale Wirklichkeit und alle handeln als Täter*in, Mittäter*in und Opfer zugleich – wenn auch wohlgemerkt mit unterschiedlichen Rollen und ungleicher Verantwortung[7]. Frauen sind noch immer Außenseiterinnen der politischen, ökonomischen und militärischen Macht.[8]

Im Kriegsgeschehen zeigt sich der tief verankerte Besitzanspruch der Männer auf Frauen. Kriegsvergewaltigungen haben gleich mehrere Funktionen: die gegnerischen Männer demütigen und demoralisieren, indem ihnen gezeigt wird, dass sie « ihre Frauen » nicht beschützen können; den Zusammenhalt der angegriffenen Gemeinschaft zerstören durch die Ächtung von vergewaltigten Frauen (und zum Teil der daraus hervorgehenden Kinder) innerhalb ihrer Herkunftsgesellschaft und schließlich die Inbesitznahme der Frauen als « Kriegs- und Siegertrophäen »[9].

Wenn wir Vergewaltigung als Kriegswaffe abschaffen wollen, dann müssen wir bewaffnete Konflikte und Geschlechterungleichheiten abschaffen. Beide Maßnahmen sollten tatsächlich erklärte Ziele unserer Gesellschaft und unserer Entscheidungsträger*innen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sein. Wir brauchen den Mut zu sagen, dass Geschlechterungleichheit und Ungleichheit generell überwunden werden können und müssen. Frieden ist nur dann möglich, wenn wir davon ausgehen, dass Krieg überwunden werden kann. Krieg ist kein Schicksal, sondern wird nach politischem Entscheidungskalkül begonnen, geführt und beendet.

Angesichts des aktuellen Zustands der Welt erscheint ein tatsächlicher und dauerhafter Frieden – nicht nur verstanden als Abwesenheit von militärischen Auseinandersetzungen, sondern auch als Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und eine umfassende soziale Gerechtigkeit – utopisch. Aber wagen sollten wir diese Utopie, weil nur wer ein konkretes Ziel vor Augen hat, kann es ansteuern und irgendwann erreichen.

Deshalb werden wir die dargelegten Überlegungen zusammen mit zusätzlichen Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und der Politik weiterführen und über die Verantwortung Luxemburgs und mögliche konkrete Aktionen diskutieren.

Isabelle Schmoetten – CID Fraen an Gender, im Namen der Arbeitsgruppe Fridden an Gender

[1] vgl. Harders 2002: 21f.

[2] Zwingel 2002: 176f.

[3] Aussage einer Frau in einer Reportage der Journalistin Maryse Lanners: https://www.rtl.lu/news/national/a/1341389.html (letzter Zugriff: Mai 2019)

[4] Zwingel 2002: 5

[5] vgl. Amnesty International 2004: 8

[6] vgl. Zwingel 2002: 178 Diese Aussage kann aber keinesfalls zur Entschuldigung oder Legitimierung von schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit genutzt werden. Jede Person bleibt verantwortlich und strafbar für die von ihr begangenen Taten. Die strukturelle Analyse soll unabhängig von der notwendigen Verurteilung der Täter und Schadensersatzleistungen durch die Täter die strukturellen Ursachen analysieren, um zu verstehen wie das Problem der Kriegsvergewaltigungen an der Wurzel gepackt werden kann.

[7] Wasmuht 2002: 87ff

[8] Mathis 2002: 114

[9] vgl. Wasmuth 2002: 98

(Pressemitteilung als download: Artikel Presse Gewalt, Krieg und Geschlechterverhältnisse)

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