Taiye Selasi – Diese Dinge geschehen nicht einfach so

(ke) Die Schriftstellerin Taiye Selasi hat 2005 den Begriff „Afropolitan“ erfunden, um damit die neue Generation von Kosmopoliten mit afrikanischen Wurzeln zu beschreiben. Diese sind meist gut ausgebildet und oft auch wohlhabend, können verschiedene Orte in der Welt ihre Heimat nennen und kombinieren relativ frei die Lebensstile, die ihnen begegnen. Das hört sich zunächst sehr leicht und positiv an. In ihrem Debütroman „Diese Dinge geschehen nicht einfach so“ erzählt Selasi jedoch eine komplexe und ganz und gar nicht harmonische Familiengeschichte.

Kweku scheint es geschafft zu haben, er ist ein angesehener Chirurg, seine Familie wohnt im besseren Viertel und die Kinder besuchen gute Schulen. Doch dann wird er zum Bauernopfer für eine medizinische Fehlentscheidung, die er gar nicht zu verantworten hat. Er wird entlassen, sein amerikanischer Traum zerplatzt. Gekränkt und unfähig seiner Frau Folasadé und den vier Kindern unter die Augen zu treten, verlässt er die Familie, um bei seiner Rückkehr festzustellen, dass diese nun in alle Himmelsrichtungen verstreut ist.

Zurückgekehrt nach Ghana, wo er sich ein neues Leben aufgebaut hat, ereilt ihn der frühe Herztod. Für die übrig gebliebenen Familienmitglieder, die sich aus Anlass seines Todes zum ersten Mal wieder treffen, beginnt nun ein Prozess der Aufarbeitung. Dabei geht es- insbesondere für die Kinder – auch um eine Neuaneignung ihrer afrikanischen Wurzeln.

Nicht autobiographisch, aber nah an eigenen Erfahrungen zeigt Selasi mit ihrem Roman, wie komplex die Entstehung eines „afropolitischen“ Bewusstseins sein kann, und sie entwirft den für mich bisher schönsten Begriff von „Heimat“: In einem Essay für die Frankfurter Rundschau (22.4.2013) schreibt sie über ihre eigenes spätes Kennenlernen Ghanas: „Das war nicht das Afrika meiner Eltern, die Vergangenheit, der statische Ort von Schmerz und Heimat. Es war meines: dynamisch, heutig, ein Teil der Künstlerin, die ich war und wurde. Es war auch kein „echtes“ Westafrika. Es war mein Westafrika, meine Version von Heimat, nicht nur ein Platz, sondern ein Weg, in der Welt zu sein, sie zu kennen.“

(S. Fischer 2013, 397 Seiten)

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