Julia Franck – Welten auseinander

Welten auseinander

(ck) Dieses Buch zieht einen gleich in seinen Bann. Es ist die Geschichte eines Mädchens, das in Ostberlin geboren wird, zusammen mit der Mutter und drei Schwestern unter chaotischen Bedingungen aufwächst, mit acht in den Westen zieht und mit dreizehn ihre Familie verlässt, weil sie es nicht mehr aushält und fortan auf sich selbst gestellt ist.

Die Kindheits- und Jugenderinnerungen wirken sehr authentisch. Auf der einen Seite geht es um die kindliche Verwahrlosung und den Mangel an Liebe in dieser Ostberliner Künstlerfamilie. Daneben gibt es aber auch die Stärke, die das Mädchen aus dem Tagebuchschreiben zieht, das Vorbild der starken Großmutter sowie die erste große Liebe, die allerdings tragisch endet. Das Leben zwischen Ost und West, die durch Verfolgung gezeichnete deutsch-jüdische Familiengeschichte der Protagonistin sowie die Entwicklung zur Schriftstellerin sind weitere wichtige Themen.

Die Familiengeschichte, in der die Autorin über ihr eigenes Leben berichtet, wird nicht chronologisch erzählt. Sie setzt sich aus vielen autobiografischen Erzählungen zusammen, die kunstvoll miteinander verwoben sind. Auch wenn die Autorin betont, dass oft „unsere Geschichten und unsere Sicht auf die Wirklichkeit Welten auseinander liegen“ und dass sich keine reale Person in einer der Figuren dieses Buches wiedererkennt, so kommt kein Zweifel an der Authentizität des Erlebten auf. Die bewegende Erzählung, die einprägsame Darstellung und die eindringliche Sprache, fern von jedem Pathos, sind ein Garant dafür. Unbedingt lesenswert.

(Fischer 2021, 368 S.)

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