(Colette Kutten, 21.04.2020) Plötzlich stehen die Frauen im Mittelpunkt des Geschehens. « Systemrelevant » sind nun auf einmal die Pflegerinnen, die Supermarktkassiererinnen und die Reinigungskräfte, Berufe, die in der Regel kein hohes Ansehen genießen und unterbezahlt sind, typische Frauenberufe eben. Man kann bloß hoffen, dass diese Heldinnen des Alltags nach ihrer Schicht nicht auch noch für die unbezahlte Sorgearbeit zu Hause zuständig sind und dass ihnen, bei Bedarf, wenigstens Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stehen. Es sei denn, sie haben Partner, die in Kurzarbeit sind und zu Hause mit den Kindern die Schularbeiten machen, einkaufen, kochen, putzen, Wäsche waschen und bügeln, all diese Tätigkeiten, die in unserer Gesellschaft eher unsichtbar sind und quasi nebenbei von den Frauen erledigt werden. Da momentan in vielen Familien Frauen und Männer gleichzeitig Homeworking machen, dürfte vielen Männern erst einmal bewusst werden, was Care-Arbeit alles beinhaltet. Denn diese ist auch in Luxemburg, wie Zahlen belegen, sehr ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt, zumal in vielen Köpfen noch die Idee herumgeistert, dass Frauen quasi eine angeborene Kompetenz für diese Arbeit besässen. Vier Wochen zu Hause mit den Kindern in der aktuellen Situation müssten eigentlich jedem klarmachen, dass Sorgearbeit eine emotional und körperlich anstrengende Arbeit ist. Neben den oben erwähnten Haushaltsarbeiten geht es auch darum, sich auf die Sorgen der Kinder einzulassen, sie zu trösten und Mitgefühl zu zeigen und dabei noch die ganze Organisation des täglichen Lebens im Blick zu haben. Das alles ist zeitintensiv und auch emotional belastend. Es ist daher nicht erstaunlich, dass 30 % der Frauen ( im Vergleich zu 6% der Männer) einer Teilzeitarbeit nachgehen – eigenen Aussagen zufolge hauptsächlich aus familiären Gründen. Dass dies negative Auswirkungen auf ihre Altersrente hat und zu Altersarmut führen kann, ist bekannt.
Die aktuelle Situation kann eine Chance sein für einen Lernprozess, der in einer gerechten Aufteilung der Sorgearbeit mündet. Es kann nicht sein, wie in manchen Zeitungsartikeln zu lesen war, dass der Mann sich tagsüber zurückzieht für sein Homeworking, während die Frau mit den Kindern für die Schule arbeitet, den Haushalt macht und dann spät abends das eigene Homeworking verrichtet. Hier muss eine partnerschaftliche Zusammenarbeit eingefordert werden.
Ein Mentalitätswandel findet jedoch nicht von alleine statt und der Schule kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Im Hinblick auf ein partnerschaftliches Zusammenleben ist für alle Mädchen und Jungen in sämtlichen Schultypen neben der beruflichen – auch eine hauswirtschaftliche Ausbildung notwendig. Ein positiver Ansatz in unserer Gesellschaft ist zur Zeit die Tatsache, dass immer mehr junge Männer den Vaterschaftsurlaub nehmen, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Dieser Vaterschaftsurlaub muss aber noch ausgebaut werden, damit die Väter zusätzlich auch gleich nach der Geburt eines Kindes die Möglichkeit bekommen, Verantwortung zu übernehmen. Studien belegen nämlich, dass die meisten Männer nach der Geburt eines Kindes sich beruflich stärker engagieren und die Care-Arbeit der Partnerin überlassen, auch wenn es vorher eine Aufteilung derselben gab. Momentan freut es mich jedenfalls festzuzstellen, dass in meiner direkten Umgebung in mehreren Familien mit kleinen Kindern auch die Väter Verantwortung übernehmen.
Die Frage stellt sich, wie es weiter geht, wenn der Alltag wieder einkehrt. Denn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für viele problematisch, wie aus einer Studie der Chambre des Salariés von 2019 hervorgeht. In vielen Bereichen sind Überstunden an der Tagesordnung und viele Männer und noch mehr Frauen sind unzufrieden darüber und würden gerne weniger arbeiten, wenn sie es sich finanziell leisten könnten. Die Chambre des Salariés fordert deshalb eine wöchentliche Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausfall.
Eine solche würde vielen das Leben erleichtern. Viele Menschen – Alleinerziehende, Niedriglohnbeschäftige, oft mit Migarationshintergrund, auf Sozialhilfe Angewiesene, Flüchtlinge… – sind körperlich und psychisch überlastet. Sie sind müde, ohne auf Erholung hoffen zu können. Das gilt besonders für die Frauen, denn sie sind meistens doppelt belastet.
Nicht nur in Krisensituationen kann man also feststellen, wie wichtig die Sorgearbeit für die zwischenmenschlichen Beziehungen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. Aber es ist unbedingt notwendig, dass diese gerecht zwischen den Geschlechtern aufgeteilt wird. Nur in diesem Fall haben auch die Frauen die Möglichkeit zur politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Teilhabe an der Gesellschaft, die ihnen zusteht.
Es bleibt zu hoffen, dass wir die bestehende Chance in diesem Sinn nutzen.
Colette Kutten
Mitglied des CID Fraen an Gender und der Plattform JIF
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