Positionspapier: Gender-Dimension in der Rentenreform berücksichtigen

Gender-Dimension in der Rentenreform berücksichtigen

Der Gender Pension Gap liegt in Luxemburg bei 36%[1]. Luxemburg belegt somit den drittletzten Platz in der Europäischen Union. Geringere Einkommen im Erwerbsleben führen zu geringeren Rentenansprüchen. Die Ursachen sind vielfältig: Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit, unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit länger aufgrund von unbezahlter Care-Arbeit und sind überdurchschnittlich in schlechter vergüteten Berufen tätig. Frauen sind zudem in Führungs- und Entscheidungspositionen unterrepräsentiert. Zusätzlich begünstigt das bestehende Steuersystem eine strukturelle Benachteiligung von Frauen.

Die geschlechtsspezifische Dimension ist folglich nicht ausschließlich auf das derzeitige Rentensystem zurückzuführen, sondern resultiert aus strukturellen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt sowie aus der ungleichen Verteilung unbezahlter Care-Arbeit.

Das aktuelle Rentensystem in Luxemburg trägt dazu bei, bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern zu verstärken, da es auf einem Erwerbsmodell basiert, das kontinuierliche und vollzeitige Beschäftigung belohnt. Reformansätze könnten in einer besseren Anerkennung unbezahlter Sorgearbeit, einer geschlechtergerechten Anpassung der Rentenberechnung sowie gezielten Maßnahmen zur Bekämpfung des Gender Pay Gaps bestehen. Eine gendergerechte Rentenpolitik ist notwendig, um die Altersarmut von Frauen zu reduzieren und eine faire Verteilung der Rentenansprüche zu gewährleisten.

Unser Ziel ist es, kurz- und mittelfristig umsetzbare Reformvorschläge in die politische Debatte einzubringen, die eine geschlechtergerechte Rentenpolitik fördern. Langfristig streben wir einen systemischen Wandel an, der bestehende Geschlechterstereotype aufbricht und zu einer gerechten Verteilung von Erwerbs- und Care-Arbeit führt.

 

Zu den strukturellen Ursachen des Gender Pension Gaps zählen:

  • Unbezahlte und schlecht vergütete Care-Arbeit[2]: Frauen leisten einen Großteil der unbezahlten Sorgearbeit, was ihre Erwerbsbiografien negativ beeinflusst.
  • Teilzeitbeschäftigung: Frauen sind überdurchschnittlich in Teilzeit (36,1% Frauen versus 7,8% Männer[3]) beschäftigt, was oft mit traditionellen Rollenzuschreibungen, mangelnder Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsangeboten und der Notwendigkeit der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit zusammenhängt.
  • Prekäre Arbeitsverhältnisse: Frauen sind überproportional in Branchen[4] tätig, die häufig durch unsichere Beschäftigungsformen wie befristete Verträge, Minijobs oder Werkverträge gekennzeichnet sind. Diese prekären Arbeitsverhältnisse erschweren den Zugang zu sozialen Sicherungssystemen, hemmen berufliche Aufstiegsmöglichkeiten und verstärken bestehende geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt.
  • Benachteiligungen im Steuersystem: Das aktuelle Steuersystem begünstigt geschlechterstereotype Rollenverteilungen und benachteiligt Frauen finanziell.
  • Unzureichende Anerkennung von Erwerbsauszeiten: Berufsunterbrechungen (zum Beispiel aufgrund von Familienverantwortung) werden nicht ausreichend rentenrechtlich kompensiert.

 

Um diese Ungleichheiten abzubauen, schlagen wir folgende Maßnahmen[5] vor:

  1. Individualisierung der Rentenrechte: Die Rentenansprüche sollen unabhängig vom Familienstand gewährt werden, um finanzielle Abhängigkeiten zu reduzieren.
  2. Gerechte Aufteilung der Rentenansprüche im Fall einer Trennung (während der Übergangszeit zur Individualisierung der Rentenrechte): Die während der Ehe oder des PACS erworbenen Rentenrechte sollen gleichmäßig aufgeteilt werden.
  3. Abschaffung der zwei Automatismen aus der Reform von 2012 hinsichtlich der Jahresendzulagen: Die Rentenansprüche müssen an die Lohnentwicklung angepasst werden und Jahresendzulagen garantiert sein.
  4. Einführung einer verpflichtenden Informationsweitergabe für alle Sozialversicherungspflichtigen: Regelmäßige Mitteilung über das voraussichtliche Rentenniveau sowie über Möglichkeiten zur Rentenaufstockung.
  5. Verpflichtende Rentenbeitragszahlungen bei Erwerbsunterbrechungen: Beiträge müssen auch in Phasen unbezahlter Care-Arbeit geleistet werden.
  6. Anhebung der Mindestrente an den sozialen Mindestlohn, der auch über die Armutsgrenze hinaus erhöht werden muss: Besonders Frauen mit prekarisierten Erwerbsbiografien würden von einer Erhöhung der Mindestrenten profitieren.
  7. Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich: Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung für alle Geschlechter kann eine gerechtere Verteilung unbezahlter Sorgearbeit ermöglichen.
  8. Abschaffung der Deckelung der Beiträge: Höhere Einkommen (5x sozialer Mindestlohn) müssen in das Umlagesystem einbezogen werden, um eine gerechtere Finanzierung sicherzustellen.
  9. Garantie einer Mindestrente: Unabhängig von der Anzahl der Versicherungsjahre soll eine existenzsichernde Mindestrente eingeführt werden.
  10. Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens: Ein Grundeinkommen soll Altersarmut verhindern und ein würdevolles Leben garantieren.

 

Wir fordern eine Rentenreform, die strukturelle Diskriminierung abbaut, Geschlechtergerechtigkeit sicherstellt und Altersarmut verhindert. Diese Vorschläge dienen als Diskussionsgrundlage und sollen den notwendigen Wandel in der Rentenpolitik vorantreiben.

 


[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1130027/umfrage/gender-pension-gap-in-luxemburg/ (Zuletzt abgerufen am 6. Februar 2025)

[2] Laut dem European Institute for Gender Equality (2024), kümmern sich 30% der befragten Frauen täglich um Kinder, Enkelkinder, ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung (im Vergleich zu 21% der Männer). 62% der Frauen gaben an täglich zu kochen und/oder sich um Hausarbeit zu kümmern (gegenüber 49% der befragten Männer). https://eige.europa.eu/gender-equality-index/2024/domain/time/LU (Zuletzt abgerufen am 19. Februar 2025)

[3] https://statistiques.public.lu/fr/actualites/2024/stn08-gpg.html (Zuletzt abgerufen am 19. Februar 2025)

[4] „Im März 2019 sind fast 11.200 Beschäftigte hauptberuflich in der Reinigungsbranche

tätig. Ihr soziodemographisches Profil zeigt, dass es überwiegend Frauen (83%) sind, Personen mit portugiesischer Staatsangehörigkeit (53%) und mit mindestens einem unterhaltsberechtigten Kind (55%).“ (Beschäftigte des Reinigungssektors in Luxemburg, LISER, 2020).

[5] Die Maßnahmen sind nach ihrer kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Umsetzbarkeit aufgelistet.

 

 

 

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