Ali Smith – Es hätte mir genauso

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(ck) Wie der Titel es bereits andeutet, weist der Roman von Ali Smith eine eher ungewöhnliche Struktur auf: Es handelt sich hier um verschiedene Geschichten, die einmal dadurch miteinander verbunden sind, dass ein neunjähriges Mädchen sie in ihr Moleskine-Geschichtenbuch einträgt.

Im Mittelpunkt des Romans steht der Protagonist Miles, der als eher zufälliger Gast bei einer Dinnerparty, sich nach ziemlich angeregten Diskussionen in das Gästezimmer der Gastgeber einschließt und nicht mehr herauskommt. Dieser Zustand dauert über Wochen und Monate. Der Vorfall wird zum Medienspektakel mit allen möglichen abartigen Auswirkungen über Fanclubs bis zu den unterschiedlichsten Interessegruppen. Dieses Spektakel geht weiter, als Miles bereits das Haus verlassen hat, denn niemand interessiert sich für die reale Person.

Vier Personen, die Miles persönlich kennen, stehen jeweils im Zentrum der verschiedenen Geschichten des Romans, die auch zum Teil Aufschluss über Miles geben. Es handelt sich um Miles‘ Jugendfreundin Anna, um May, eine alte und demente Frau im Altersheim, um den schwulen Mark, der Miles mit zur Party gebracht hat und um Brookes, das neunjährige hochbegabte Mädchen mit Migrationshintergrund, das unvoreingenommen und mit kindlicher Offenheit die entscheidenden Fragen stellt. Die „Geschichten“ dieser Personen geben Aufschluss über den Zustand unserer Welt und greifen Themen auf, die uns alle betreffen, aber oft unbequem sind. Das Buch enthält jedoch auch satirische Elemente, besonders was die Schilderung der Dinnerparty und den Medien-Hype betreffen, die aufgrund des virtuosen Erzähltalents der Autorin, den doch recht anspruchsvollen Roman etwas auflockern. Ali Smith ist eine unkonventionelle Erzählerin, die ungewohnte Gedanken äußert und neue Erzählstrukturen ausprobiert.

Der bereits mehrfach ausgezeichneten schottischen Autorin Ali Smith – laut Daily Telegraph „Eine der aufregendsten Schriftstellerinnen unserer Zeit.“ – ist auch diesmal ein großer Wurf gelungen und die hervorragende Übersetzung ins Deutsche von Silvia Morawetz trägt wesentlich zum Lesevergnügen bei.

Luchterhand, 2012, 316 Seiten

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