Sandra (44), ein Kind

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Sandra (44), ein Kind

Ich war mit einem Mann verheiratet und unser Kind war noch sehr klein, als ich herausfand, dass ich lesbisch bin. Ich entschied mich zu trennen. Ich lebe jetzt alleine mit meinem Kind. Für meinen Erfahrungsbericht hat man mich gefragt, ob es eventuell zusätzliche Schwierigkeiten für eine nicht heterosexuelle alleinerziehende Familie gibt.

Mein ehemaliger Ehemann hat mir keine Steine in den Weg gelegt, als ich mich ihm gegenüber geoutet und mich von ihm getrennt habe. Aber ich kenne auch Frauen, die auf Inakzeptanz und Feindseligkeiten seitens ihres engen Umfeldes gestoßen sind. Als alleinstehende Mutter ist man täglich eine Einzelkämpferin. Die Situation ist nicht einfach und wenn dann noch solche Probleme dazu kommen, wird die psychische Belastung sehr hoch.

Ich gehe heute halboffen mit meiner sexuellen Orientierung um. Am Anfang war ich verschlossener, auch meinem Kind gegenüber. Ich hatte Angst, dass es negative Reaktionen bekommen könnte, wenn es anderen Leuten etwas davon erzählt. Es hatte die Trennung seiner Eltern zu verarbeiten, den Umzug. Da wollte ich es nicht noch weiteren Belastungen aussetzen, weil vielleicht der Kontakt zu Familienmitgliedern abbrechen würde, wenn ich mich oute. Oder dass es vielleicht in der Schule von anderen Kindern gehänselt werden würde. Das waren meine Ängste. Wäre ich in einer Beziehung mit einer Frau gewesen, wäre ich offen gewesen. Heute weiß mein Kind Bescheid.

Mein gesellschaftliches Leben ist als alleinstehende Mutter eingeschränkt. Glücklicherweise kann ich mir am Wochenende normalerweise einen Freiraum verschaffen, was in mehrfacher Hinsicht wichtig ist. So z.B. auch für die Partner*innensuche. Wie soll man als alleinstehende Mutter jemanden kennenlernen, wenn man nicht unter die Leute kommt? Ist es für lesbische Frauen schwieriger? Ich weiß es nicht.

Für mich bedeutet Freiraum aber auch, einfach nur eine gute Zeit mit meinem Kind verbringen zu können. Oder ich nutze ihn, um meinen Hobbys nachzukommen. Ich glaube, dass beides sehr wichtig für uns ist. Wenn man ständig nur „funktionieren“ muss, weil keine Zeit für andere Sachen bleibt, gibt es keine Entspannung mehr. Das wirkt sich auch negativ auf das Kind aus. Aber das Leben von so vielen Familien ist heute durchgetaktet. Das gilt nicht nur für alleinerziehende Familien, aber für sie verstärkt. Ich kann manchmal auf meinen Freundeskreis zurückgreifen, wenn ich jemanden brauche, um auf mein Kind aufzupassen. Welche Lösungen finden Alleinerziehende, die niemanden in ihrem Umfeld haben? Freiräume schaffen können Babysitting, Putzfrau, Teilzeitarbeit… Aber das Problem der allermeisten alleinstehenden Familien besteht darin, dass nicht nur die Zeit fehlt, sondern auch das Geld. Ich wünsche mir eine familienfreundlichere Politik, die mehr Freiräume für alle Familien schafft.

 

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