1919 wird das Frauenwahlrecht in Luxemburg eingeführt. Der Durchbruch bei den Wahlen gelingt nur einer von vier Kandidatinnen bei den ersten Parlamentswahlen 1919, der Lehrerin Marguerite Thomas-Clement. Sie wird auf der sozialdemokratischen Liste im Wahlbezirk Zentrum gewählt.
Marguerite Thomas-Clement nennt im Parlament Dinge beim Namen, die in der Luxemburger Gesellschaft der Zwanzigerjahre meist ignoriert werden.
So weist sie 1919 auf die schlechten Arbeits- und Lohnbedingungen der Frauen hin, die in der Eisenindustrie arbeiten. Sie kritisiert die miserable Lage der weiblichen Hilfsangestellten beim Staat, reicht erfolgreich eine Motion zur Beschränkung des Alkoholausschanks ein, und macht sich zur “Sprecherin der Frauen”, als sie die unhaltbaren hygienischen Zustände in der hauptstädtischen Geburtsklinik anprangert. Sie setzt sich für Prostituierte ein, die wegen ansteckender Krankheiten im Frauengefängnis inhaftiert werden. Marguerite Thomas-Clement reicht auch einen Gesetzesvorschlag ein, der “nach der politischen Gleichstellung, auch die zivile und wirtschaftliche Gleichstellung der beiden Geschlechter” vorsieht. Er verschwindet in den Schubladen des Parlaments.
Frau Thomas-Clement bleibt bis 1931 die einzige Abgeordnete, sie wechselt aus dem sozialdemokratischen ins linksliberale Lager. 1931 wird sie aufgrund des Zersetzungsprozesses innerhalb dieser politischen Strömung nicht wiedergewählt. Von nun an wird bis 1965 keine Frau mehr in der luxemburgischen Kammer vertreten sein.
(Renée Wagener)
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1989, anlässlich des 70. Jahrestages meinte Berthe Schmitz in einem Interview im Luxemburger Wort:
“Nun sollte das Ereignis des Jahrhunderts stattfinden: die als erste gewählte Luxemburgerin sollte vereidigt werden, und wir mussten die Schulbank drücken. Kam nicht in Frage. Diese Sache mußte man gesehen haben, da mußte man dabei geweisen sein. (…) Mit heiler Haut kamen wir ins Parlament. Zu der Zeit gab es noch auf der reservierte Plätze für die Damen. Réservé aux dames stand auf der Rücklehne einer Bank geschrieben. Waren wir Damen? Klopfenden Herzens nahmen wir Platz und warteten der Dinge, die da kommen sollten.
(…)
Inzwischen hatte die Eidesleistung begonnen. Nun stand Madame Thomas auf dem Podium. Wir verschlangen sie mit unseren Blicken. Der hochgestreckte Arm, die ausgestreckten Schwurfinger, die feierlichen Eidesformels, die beobachtenden, abwägenden Blicke der männlichen Kollegen – alles das tribe un seine Gänsehaut über den Rücken. Eine Geschlechtsgenossin hatte sich in die Arena gewagt, hatte den Mut aufgebracht, als erste Frau in der luxemburgischen Geschichte politische Verantwortung zu übernehmen und hatte feierlich geschworen, ihr Bestes zu tun. Die Welt um uns versank. Uns blieb der Eindruck des Einmaligen, des Nichtwiederholbaren.” (Berthe Schmitz, 1979)
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