CD-Besprechung Helen Buchholtz auf online Merker

(Dr. Ingobert Waltenberger  auf online Merker, Die internationale Kulturplattform)

Fast wäre der künstlerische Nachlass der Helen Buchholtz, 1877 geborene südluxemburgische Komponistin, im Kamin gelandet. Wäre da nicht ihr cleverer Neffe François Ettinger gewesen, der die bereits in Säcke verpackten Partituren nach Ihrem Tod 1953 rettete und in zwei Koffern bei sich zu Hause aufbewahrte, könnten wir jetzt nicht die von der blinden Sopranistin Gerlinde Sämann mit viel Einfühlung und romantischer persönlicher Note vorgetragenen Lieder hören. Der Dank gebührt aber nicht zuletzt der umtriebigen Musikwissenschaftlerin Danielle Roster, die sich der Noten in bester Entdeckungslaune angenommen hat und sich um die Aufführung, Verbreitung und Kommunikation der Werke von Helen Buchholtz kümmert.

Helen Buchholtz, gutbürgerliche Tochter eines Eisenwaren-, Haushaltsartikel- und Baumaterialhändlers aus Esch-sur-Alzette, erhielt den damaligen Möglichkeiten gemäß ihre musikalische  Ausbildung vor allem in Frauen gewogenen Chören. Als Viertelbrauereibeteiligte war sie finanziell unabhängig. Sie heiratete relativ spät einen deutschen Arzt aus Wiesbaden, wo sie das musikalische Leben in vollen Zügen genießen konnte.  Frühverwitwet, kehrte sie nach Luxemburg zurück. Der biographische Rahmen ihrer Kunst wäre damit gesteckt.

Claude Weber, der schon 2003 eine CD mit Liedern luxemburgischer Komponistinnen aufnahm (Helen Buchholtz und Lou Koster), ist nicht nur ihr erfahrener und Buchholtz-geeichter Begleiter, sondern ein Pianist mit Saft und genuiner Gestaltungsgabe.

Mit der Doppel-CD wird einer vernachlässigten Tonsetzerin Ehre bezeugt, aber auch der Bogen zu zeitgenössischem Liedschaffen gespannt. So werden zeitgenössische Komponistinnen in einen Austausch mit der Musik einer historischen Vorgängerin gebracht. Mittels Kompositionsaufträgen, die mit einer Uraufführung oder Ersteinspielung verbunden waren, haben sich die so Erwählten in ihrer eigenen Tonsprache mit einem Aspekt der Musik oder des Lebens von Helen Buchholtz auseinandergesetzt. Entweder durch Neuvertonung von identen Texten (Tatsiana Zelianko – „5 Coloristic Miniatures“; Catherine Contz – „..und um die Holzbank duftete der Flieder“ und Albena Petrovic-Vratchanska – „Illusions“) oder bei Stevie Wishart besteht die Gemeinsamkeit im Helen Buchholtz nahestehenden Poet Willy Goergen mit dem Gedicht „Strahlender Himmel“.

Das nicht der Avantgarde, sondern ganz der Spätromantik verpflichtete Oeuvre entstand in einer Atmosphäre höchster Isolation: Klaviersonaten, Chöre, Charakterstücke und Tänze für Klavier solo sowie deutsche und französische Lieder und Balladen. Zum Kompositionsstil merkt der Pianist Marco Kraus an: „Für ihre Musik dürfte sicherlich das von D. Diderot in „Le neuveu de Rameau“ zitierte Prinzip des ‚musicae seminarium accentus‘ gelten. Das Abwiegen jedes einzelnen Tones im Kontext einer so schlichten Klangrede erscheint mir denn auch als die Schwierigkeit ihrer Interpretation. Die neue, unakademische Weise, historisch scheinbar Auseinanderstrebendes in einer originellen Einheit zu verbinden, ihre Art, im Rahmen einer schmucklosen Prosodie eine manchmal bis zum Entzücken gesteigerte Emotivität zu vermitteln, bedingt vielleicht etwas vom Innigsten ihrer Kunst. Schlicht und natürlich singen ihre Phrasen und in den Bögen, die sie bilden, scheint sich ein Verlangen zu spannen.“ Die Texte der auf dem Album eingespielten Vokalkompositionen stammen u.a. von Anna Ritter, Maidy Koch, Theodor Storm, Eva von Collani bzw. Nikolaus Welter (Blauvögelein).

Gerlinde Sämann mit ihrem lyrisch-leichten mädchenhaften Sopran ist eine feinfühlige Interpretin, die den Zauber der Poesie frisch mit einer leicht herben Note in völlig natürlichem Vortrag in präzise Miniaturen rund um Liebe, Tod, Vergänglichkeit, Einsamkeit, Verlust und Sehnsucht wandelt.

Hinweis: Die Filmregisseurin Anne Schiltz drehte parallel zur CD den Dokumentarfilm „Im Dialog mit Helen Buchholtz.“

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Dr. Ingobert Waltenberger

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