(Rosa Brignone, 23.04.2020) Seit Beginn der Coronakrise gehört der Reinigungssektor zu den « entscheidendsten Aktivitäten“. Die Krise zeigt die Ungerechtigkeiten und den Widerspruch unseres Wirtschafts- und Sozialsystems : die unverzichtbarsten Arbeiter*innen sind auch die unsichtbarsten und die am wenigsten anerkannten.
In Luxemburg arbeiten etwa 11.000 Lohnabhängige in Reinigungsfirmen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Frauen (83%), oft mit Migrationshintergrund oder Grenzgängerinnen. 75% sind entweder Portugiesinnen oder Französinnen*. 6 000 Arbeiterinnen sind in Privathaushalten angestellt. Sie gehören zu den prekärsten Arbeiter*innen : unterbezahlt, mit Kurzzeitverträgen, ungewollter Teilzeitarbeit, untragbaren Zeitkadenzen, einer hohen Stressbelastung ausgesetzt. Die Auslagerung dieser Arbeit an Reinigungsfirmen – ihre Anzahl hat sich in 10 Jahren verdoppelt – garantiert nicht a priori bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen.
Bei diesen Beschäftigungen gibt es eine Grauzone von nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit, ohne Arbeitsvertrag und schwarz bezahlt. Frauen ohne Aufenthaltsgenehmigung, Migrantinnen und Alleinerziehende befinden sich oft in solchen Situationen. Die beratende Menschenrechtskommission (CCDH) hat in ihrem zweiten Bericht über Menschenhandel in Luxemburg darauf hingewiesen, dass die Haushaltsarbeit ein Risikosektor für Menschenhandel und Ausbeutung ist. Die Rahmenbedingungen von struktureller Prekarität und Verletzlichkeit drohen sich in Folge der Pandemie zu verschlimmern.
Es gilt folglich sehr wachsam zu sein und die Rechte der Hausangestellten zu verteidigen. Ungefähr 6 000 Beschäftigte arbeiten in Privathaushalten unter der vereinfachten Anmeldeprozedur der CCSS. Allerdings gilt die Kurzarbeit nur für die Betriebe ; die Privathaushalte werden lediglich ermutigt die Hausangestellten freizustellen bei fortlaufender Bezahlung. Der Arbeitsminister Dan Kersch hat betont, dass im Fall einer Entlassung gesetzliche Vorankündigungen berücksichtigt werden müssen. Als konkrete Maßnahme hat die Regierung beschlossen den Freibetrag der Steuervergünstigung für Kosten von Hausangestellten zu erhöhen.
Dieser Ansatz unterschätzt die Situation. Seit der Ausgangssperre werden eine Reihe von Frauen nicht von ihrem Arbeitgeber freigestellt; sie arbeiten weiter ohne Sicherheitsvorkehrung und setzen sich damit einem Infektionsrisiko aus, auch durch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Im Endeffekt wären solche Maßnahmen für den Staat finanziell relativ begrenzt. Sie würden als Anerkennung gelten für Hausangestellte und den Schutz von Recht und Sicherheit am Arbeitsplatz gewährleisten. Zusätzlich würden sie zu einem positiven Mentalitätswandel beitragen.
In diesem Sinne drängt es sich auf, dass auch Luxemburg das Übereinkommen Nr 189 (2011) der IAO (Internationale Arbeitsorganisation) über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte ratifiziert. Ebenso müsste der Kollektivvertrag für Reinigungskräfte auch für Hausangestellte von Privathaushalten gelten.
Es geht hier um Gleichstellung und um soziale Gerechtigkeit. Die Zeit der Ausgangssperre ist der ideale Zeitpunkt um den Wert dieser Arbeit für die Gesellschaft anzuerkennen. Who cares ? we care !
Rosa Brignone, Präsidentin von Time For Equality , Mitglied der Plattform JIF
• Quelle : Studie des LISER über den Reinigungssektor in Luxemburg
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