Das Verschwinden der Erde – Julia Phillips

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(ck) Faszinierend an diesem Buch ist bereits der Schauplatz der Handlung. „Kamtschatka“, die schwer zugängliche sibirische Halbinsel, dürfte vielen unbekannt sein. Gleichzeitig drängt sich die Frage auf, weshalb sich der Debütroman der jungen amerikanischen Autorin gerade in diesem entlegenen Winkel Russlands abspielt. Julia Phillips kennt Kamtschatka jedoch auf Grund von längeren Aufenthalten im Rahmen eines Stipendiums und das nicht nur oberflächlich, wie sich während der Lektüre zeigt.

Ausgangspunkt des Romans ist ein Verbrechen: zwei kleine russische Mädchen, Schwestern, verschwinden an einem Sommertag an der Küste Kamtschatkas. Auch wenn dieser Vorfall sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht und die Suche nach den Mädchen die Stadt in Atem hält, geht es nicht primär um die Aufklärung des Verbrechens. In den folgenden 12 Kapiteln, die jeweils einen Monatsnamen als Überschrift tragen, wird das Leben verschiedener weiblicher Protagonistinnen thematisiert. Diese sind vom Verbrechen direkt oder indirekt betroffen, die Episoden könnten jedoch auch für sich alleinstehen. Durch die Augen dieser Frauen lernen wir die Region und ihre Probleme kennen, wobei Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Generationenkonflikte und Korruption im Vordergrund stehen. Die raue Schönheit des Landes mit seinen Vulkanen und das harte Leben der Rentierzüchter vervollständigen dieses Bild.

Der Roman besticht durch die überzeugende Darstellung menschlicher Beziehungen und die präzise Sprache der Autorin. Durch den gelungenen kunstvollen Aufbau und die einfühlsame Darstellung einer Gesellschaft am anderen Ende der Welt vermag er die Leser* innen in seinen Bann zu ziehen.

Das Buch stand 2019 auf der Shortlist für den National Book Award.

(dtv 2021, 374 S.)

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